SCHWEIZ – EUROPÄISCHE UNION. GEGEN FEHLINFORMATIONEN
WAHR UND FALSCH MIT DEM ZEHN PUNKTE – BEWEIS
Die Verhandlungen mit der EU über die Erneuerung des bilateralen Wegs durch einen Paketansatz wurden am 20. Dezember 2024 in Bern von Ursula von der Leyen, Präsidentin der Europäischen Kommission und Viola Amherd, Präsidentin der Schweizerischen Eidgenossenschaft, erfolgreich abgeschlossen.
Die SVP nutzte ihre jüngste Delegiertenversammlung in Balstahl am 25. Januar 2025, um ihre Slogans wieder aufzugreifen und das neue Abkommenspaket heftig anzugreifen.
Es ist wichtig, dass die Öffentlichkeit informiert wird. Die Informationen müssen jedoch auf Fakten basieren. Die folgende Tabelle zeigt 9 demagogische und völlig falsche Behauptungen der SVP und 1 Behauptung von ‘autonomiesuisse’.
Das Ziel der Schweiz ist es, ihren Wohlstand und ihre Wettbewerbsfähigkeit zu sichern in einem sich verschlechternden wirtschaftlichen und geopolitischen Umfeld durch eine privilegierte, maßgeschneiderte und unbürokratische Teilnahme an einem Markt von 450 Millionen Verbrauchern in 27 Länder mit einheitlicher Währung (20 Mitgliedstaaten) und gleichen Werten.
FALSH WAHR
1. Unterwerfungsvertrag
Kolonialvertrag
|
DAS IST FALSCH. Die Schweiz bleibt völlig frei, Weiterentwicklungen von Binnenmarktregeln im Austausch gegen Massnahmen (1) abzulehnen, um das Gleichgewicht zu wahren. Sie kann die Abkommen auch kündigen. Sie wird also keineswegs zu einer Kolonie der EU und beteiligt sich darüber hinaus an der Ausarbeitung neuer Regeln. |
2. Die direkte Demokratie wird abgeschafft und das Schweizer Volk hat nichts mehr zu sagen.
|
DAS IST FALSCH. Die direkte Demokratie wird nicht abgeschafft. Das Volk kann weiterhin zu allen Themen Stellung nehmen. Keine Änderung. Darüber hinaus decken die Abkommen nur sechs Bereiche ab, von denen nur einer in den letzten 20 Jahren Anlass zu einzelnen Problemen gab (2). Das ist sehr wenig angesichts des Schweizer Gesetzgebungsapparates (3) |
3. Die Schweiz muss automatisch das Recht der EU annehmen
|
DAS IST FALSCH. Es gibt keinen Automatismus. Die Schweiz übernimmt von Fall zu Fall auf der Grundlage unserer Interessen. Die EU schlägt vor, dann entscheidet die Schweiz vorbehältlich der Volksrechte. Für Schengen und den Luftverkehr läuft es so schon seit Jahren; die Ausweitung erstreckt sich nur auf fünf sektorielle Abkommen (4). Das Freihandelsabkommen von 1972 und ein wichtiger Teil des Agrarabkommens (5) von 1999 sind nicht betroffen. |
4. Die Schweiz muss sich dem Gerichtshof der EU (EuGH) beugen
|
DAS IST FALSCH. Nur in sehr seltenen Fällen könnte ein Schiedsgericht den EuGH um Auslegung von Begriffen des Unionsrechts ersuchen, die in den Anwendungsbereich einer sektoriellen Vereinbarung mit Bezug zum EU-Binnenmarkt fallen (6). Im Gegensatz zu den Mitgliedstaaten steht es der Schweiz frei, eine Entscheidung des EuGH nicht zu akzeptieren. Dies unter Vorbehalt von Ausgleichsmaßnahmen. |
5. Im Durchschnitt wird jeden Tag in Brüssel ein neues Gesetz erlassen
|
DAS IST FÜR DIE SCHWEIZ VÖLLIG FALSCH. Die sechs Abkommen, die von der dynamischen Übernahme der EU-Vorschriften betroffen sind, machen nur einen sehr kleinen Teil der Gesetzgebung der Wirtschafts- und Währungsunion der EU aus. Bei drei davon (technische Vorschriften, Luftverkehr, Normen im Zusammenhang mit dem Agrarsektor) übernimmt die Schweiz die Regeln in ihrem Interesse seit mehr als 20 Jahren, indem sie direkt an ihrer Ausarbeitung beteiligt ist. (7) |
6. Übermäßige und erstickende Bürokratie
|
KRITIK IST UNBEGRÜNDET. Einerseits ist die Verwaltung der EU (55.000) nicht viel grösser als die des Bundes (40.000), und andererseits ist nur ein sehr kleiner Teil davon von den sechs Marktzugangsabkommen mit der Schweiz betroffen. |
7. Die Schweiz kann von der EU bestraft werden z. B. bei der Einwanderung
|
DAS IST FALSCH. Die EU kann die Schweiz nicht mehr wie bisher bestrafen, ihr Sanktionen auferlegen oder politische Maßnahmen ergreifen. Die EU kann nur ein Ungleichgewicht ausgleichen, das sich aus der Nichtübernahme oder Nichtanwendung von Binnenmarktbestimmungen ergibt, die unter ein sektorielles Abkommen fallen. Zudem kann jede Massnahme einer unabhängigen Überprüfung unterzogen werden (8). Die Schweiz ist zu 100 % Gewinnerin. |
8. Der Schutz der Löhne ist nicht mehr gewährleistet
|
DAS IST FALSCH. Der Schutz der Löhne ändert sich nicht für 99,7 % der in der Schweiz geleisteten Arbeit! Die einzigen Änderungen betreffen einen geringen Anteil der Arbeitnehmer (0,3 %), die vorübergehend von Firmen aus der EU entsandt werden, um Aufträge in der Schweiz auszuführen. 80 % dieser Firmen kommen aus Nachbarländern mit vergleichbaren Kosten. Die Gewerkschaften drohten lange damit, das gesamte Paket abzulehnen, um von den Arbeitgebern Zugeständnisse zu erhalten, die mit dieser Zeitarbeitskraft nichts zu tun haben. Nach mehr als 60 Sitzungen wurde im März 2025 schließlich eine Einigung erzielt, wobei die Arbeitgeber nur noch einen Punkt (Kündigungsschutz) ablehnen. |
9. Die Schweiz muss mehrere Milliarden an die EU zahlen
|
DAS IST FALSCH. Die Schweiz zahlt aus Solidarität bereits seit Anfang der 90er Jahre erhebliche Beträge an die Länder Mittel- und Osteuropas, die von der Herrschaft der Sowjetunion befreit wurden. Sie finanziert spezifische, rein bilaterale Projekte im Rahmen der globalen Schweizer Entwicklungszusammenarbeit. Die Schweiz hat ein großes Interesse daran, die Volkswirtschaften und politischen Systeme der neuen EU-Mitglieder zu stabilisieren und zu stärken. |
10. Giftpaket
|
FALSCH. Das Paket ist nicht giftig. Es bietet der Schweiz erhebliche Vorteile in den Bereichen Forschung und nicht-tarifäre Handelshemmnisse sowie bei Strom, Lebensmittelsicherheit und Gesundheitsvorsorge. Es stärkt die Wettbewerbsfähigkeit und Innovationsfähigkeit der Schweizer Unternehmen. Die Ablehnung des Pakets würde hingegen zu einer giftigen Situation für die Schweizer Wirtschaft auf dem europäischen Markt führen. |
Bei Fragen:
Philippe G. Nell, Vizepräsident der Vereinigung die Schweiz in Europa
philippe.nell.1954@gmail.com
Der Autor dankt mehreren Kolleginnen und Kollegen der Vereinigung die Schweiz in Europa
und der Groupe de Réflexion Schweiz-Europa für ihre Anregungen sowie Daniel Woker für die deutsche Übersetzung.
Fussnoten
- Diese sogenannten «Ausgleichsmaßnahmen» müssen verhältnismäßig sein, d. h. dem Umfang der nicht übernommenen Vorschriften entsprechen und können von einer unabhängigen Stelle bewertet werden.
- Die EU betrachtet seit 2006 die von der Schweiz geforderten Kautionen für Unternehmen, die Arbeitnehmer in die Schweiz entsenden und die 8-tägige Anmeldungsfrist vor Beginn der Entsendung als diskriminierend. Trotz Arbeitsgruppen hat die Schweiz an ihrer Position festgehalten und es konnte keine Lösung umgesetzt werden. Das Vertragspaket enthält für diese Fragen neue Vereinbarungen.
- Darüber hinaus wird sich der Großteil des Rechts in Form von Verordnungen des Bundesrates bestehen und jede neue Entwicklung auf gesetzlicher Ebene bleibt dem Parlament und dem fakultativen Referendum unterworfen.
- Diese Abkommen sind: technische Handelshemmnisse; Freier Personenverkehr; Landverkehr; Elektrizität und Lebensmittelsicherheit (Protokoll zum Agrarabkommen). Obwohl es nicht unter den Marktzugang fällt, wird das Gesundheitsabkommen analog auch von den institutionellen Bestimmungen abgedeckt
- Beim Agrarabkommen sind die folgenden Teile von der Fall-zu-Fall-Übernahme der neuen EU-Regeln ausgenommen: a) die Zollzugeständnisse einschließlich Käse, der Handel mit Wein und der Schutz seiner Bezeichnungen; b) die ökologische/biologische Produktion; c) die Anerkennung von Kontrollen zur Einhaltung der Vermarktungsnormen für frisches Obst und Gemüse; und, d) die geschützten Ursprungsbezeichnungen (GUB) und geografischen Angaben (GGA) für Agrarprodukte und Lebensmittel.
- Es ist zu beachten, dass die Urteile des EuGH für alle Teilnehmer am Binnenmarkt gelten.
- Darüber hinaus ersetzen einige EU-Regelungen 27 nationale Regelungen und stellen eine große Vereinfachung für Schweizer Unternehmen dar.
- Die Überprüfung wird von einem Schiedsgericht vorgenommen, das sich aus einer gleichen Anzahl von Vertretern der EU und der Schweiz zusammensetzt und dessen Präsident gemeinsam gewählt wird.
Hinterlasse einen Kommentar
An der Diskussion beteiligen?Hinterlasse uns deinen Kommentar!