GFGZ-Präsident und PSE-Vorstandsmitglied Florian Schmid im Gespräch mit der Villa Vigoni

Die Ideenwerkstatt Villa Vigoni hat in ihrer Interviewreihe „Europäische Dialoge“ mit GFGZ-Präsident und PSE-Vorstandsmitglied Florian Schmid über die Beziehungen Schweiz-Europa gesprochen. 

Im Video-Gespräch berichtet Florian Schmid von den Tätigkeiten der GFGZ, der Notwendigkeit von enger grenzüberschreitender Zusammenarbeit während Corona und auch danach, und er erklärt, warum bei der anstehenden Abstimmung über die Kündigungsinitiative ein NEIN eingeworfen werden muss.

Eine enge Zusammenarbeit mit der EU ist auch nach Corona unabdingbar

Die Plattform Schweiz Europa hat die Grenzöffnungen zum Anlass genommen, in einer gemeinsamen Pressemitteilung die intensive Zusammenarbeit zwischen der Schweiz und der EU in den letzten Monaten in Erinnerung zu rufen und darüber hinaus zu einer engen Zusammenarbeit nach Corona aufzurufen.

Die Zusammenarbeit zwischen der EU und der Schweiz war während der Corona-Zeit so
intensiv wie selten zuvor. Beide Seiten haben davon profitiert. Daran ist nun anzuknüpfen. Es gilt, das geschaffene Momentum zu nutzen und das durch ständige Unstimmigkeiten
gestörte Verhältnis Schweiz–EU durch langfristig geregelte Beziehungen zu ersetzen.
Covid-19 darf nicht zu neuem Nationalismus und Protektionismus führen. Im Gegenteil:
Gerade jetzt, wo praktisch in allen europäischen Ländern eine Rezession droht, ist eine
vermehrte grenzüberschreitende Zusammenarbeit nötig. Für die Schweiz sind geregelte
Beziehungen zur EU lebenswichtig. Nutzen wir die Chance zu einem Aufbruch, unser
Verhältnis zu Europa zu beiderseitigem Nutzen endlich auf eine langfristig gültige Grundlage
zu stellen.

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Rahmenabkommen:  Antwort des Bundesrates auf die Petition PSE vom 31.10.19

Rahmenabkommen:  Antwort des Bundesrates auf die Petition PSE vom 31.10.19

Mit Schreiben vom 19. November 2019 hat Bundesrat Cassis die Petition beantwortet und das beschlossene Vorgehen des Bundesrates bestätigt. Auf die Argumente der Petition geht er dabei nicht ein. Das gilt sowohl für die rechtlichen wie die geopolitischen Überlegungen. Man muss daraus schliessen, dass sich der Bundesrat damit nicht näher befasst hat, wie das eigentlich Ziel und Zweck des Petitionsrechts nach Art. 33 BV ist. Ein Diskurs und eine Debatte kann so nicht entstehen.

Einmal mehr bestätigt sich, dass die Regierung in der Schweiz nur referendumsfähige Kräfte wirklich ernst nimmt. Das trifft für die Organisationen der PSE offensichtlich nicht zu. Denn wir bremsen nicht, sondern möchten mit guten Gründen endlich vorwärts machen. Vielleicht ist das mit auch eine Erklärung, weshalb die Schweiz in der Europapolitik den Zug verpasst hat.

Thomas Cottier

Präsident der ASE und Vorstandsmitglied der PSE

 

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PSE Petition zum Rahmenabkommen eingereicht!

Die Plattform-Schweiz-Europa hat heute ihre Petition zum Rahmenabkommen eingereicht.

In dieser Sache traten zudem Thomas Cottier, Präsident der Vereinigung Die Schweiz in Europa (ASE) und Initiant der Petition zusammen mit Jean-Daniel Gerber, Co-Präsident der PSE, Joëlle de Sépibus, Vize-Präsidentin ASE, und Raphaël Bez, Co-Generalsekretär der Nebs, heute vor die Medien und präsentierten die Petition. Die PSE will mit der Petition die Wichtigkeit der Unterzeichnung des Vertragswerks erneut unterstreichen. Es gibt keinen sachlichen Grund mit der Unterzeichnung zuzuwarten, auch nicht für Klärungen der drei umstrittenen Punkte. Der Bundesrat muss diese Verantwortung übernehmen. Die gegenwärtige Lage verursacht eine grosse Verunsicherung, die sich auf das Investitionsverhalten der Wirtschaft und damit die Arbeitsplätze in der Schweiz negativ auswirkt.

Lesen Sie die Petition:

Petition Deutsch

Petition Französisch

Petition Italienisch

Accord-cadre il y aura

Artikel von unserem Co-Präsidenten Jean-Daniel Gerber in der Zeitschrift „Bilan“.
„Accord-cadre il y aura !“

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Konsultationspapier zum institutionellen Rahmenabkommen

Die Plattform-Schweiz-Europa (PSE) fordert den Bundesrat auf, seine Führungsverantwortung wahrzunehmen und das institutionelle Rahmenabkommen (InstA) zu unterzeichnen. Das InstA fördert die ordentlichen Beziehungen zur EU und ihrer Mitgliedstaaten. Die PSE ist der Auffassung, dass den Interessen der Schweiz souveränitäts- und wirtschaftspolitisch besser gedient ist als ohne InstA. Wesentliche schweizerische Begehren sind im Abkommen erfüllt:

  1. Begrenzter Geltungsbereich des InstA
  2. Keine automatische Rechtsübernahme
  3. Angemessene Streitbeilegungsmechanismen
  4. Anerkennung von schweizerischen Spezifitäten
  5. Keine supranationale Überwachungsbehörde
  6. Keine Übernahme der Richtlinie zur Unionsbürgerschaft
  7. Gewährleistung von Rechtssicherheit
  8.  Möglichkeit zum Abschluss neuer Verträge

Zu 1: Begrenzter Geltungsbereich:

Die Anwendung des InstA ist auf fünf bestehende Abkommen beschränkt, nämlich jene, die vollständig oder teilweise eine Teilnahme am Binnenmarkt vorsehen. Wer garantierten Zugang zum EU-Binnenmarkt will, muss auch dessen Regeln übernehmen.

Zu 2: Keine automatische Rechtsübernahme:

Das Abkommen verpflichtet die Schweiz für diese fünf Abkommen zu einer dynamischen Übernahme von EU-Recht. Die Schweiz erhält dafür:

  • Ein systematisches Mitspracherecht (decision shaping) und das Recht auf Teilnahme in Arbeitsgruppen zur Umsetzung von EU-Recht (Komitologie)
  • Die Respektierung der direkten demokratischen Verfahren bei der Anpassung der Gesetze, inkl. der Möglichkeit des Referendums
  • Bei Ablehnung der Anpassung besteht die Möglichkeit des Opt-Out unter Inkaufnahme von Ausgleichsmassnahmen mit Schiedsverfahren. Somit keine automatische Rechtsübernahme.

Zu 3: Angemessene Streitbeilegungsmechanismen:

Im Gegensatz zur gegenwärtigen Rechtslage, die den EU-Behörden erlaubt, einseitig gegen die Schweiz gerichtete Massnahmen zu beschliessen, sieht das InstA ein paritätisch zusammengesetztes Schiedsgericht vor. Der Europäische Gerichtshof wird einzig konsultiert, wenn zur Schlichtung einer Streitigkeit die Auslegung von genuinem EU-Recht erforderlich ist. Hält sich die Schweiz bzw. die EU nicht an das Schiedsurteil, können nur proportionale Ausgleichsmassnahmen getroffen werden, was im Vergleich zu den gegenwärtigen bilateralen Abkommen ein wesentlicher Vorteil darstellt.

Zu 4: Anerkennung von schweizerischen Spezifitäten:

In den geltenden bilateralen Abkommen werden die schweizerischen Besonderheiten, wenn überhaupt, nur auf Zusehen hin anerkannt. Das InstA enthält verbindliche Sonderbestimmungen, die nur für die Schweiz gelten, so u.a.

  • Vertragliche Sicherung der flankierenden Massnahmen, namentlich des Lohnschutzniveaus
  • Eine Voranmeldepflicht für ausländische Anbieter von Dienstleistungen von vier Arbeitstagen auf der Basis von branchenspezifischen Risikoanalysen
  • Eine Kautionspflicht bei Akteuren, die finanziellen Verpflichtungen wiederholt nicht nachgekommen sind
  • Eine Dokumentationspflicht für selbständig Erwerbende
  • Die Beibehaltung des Nacht- und Sonntagfahrverbots für Lastwagen
  • Keine generelle Regelung für die staatlichen Beihilfen. Diese sollen in den sektoriellen Abkommen geregelt werden

Zu 5: Keine supranationale Überwachung:

Die Schweiz hat supranationale Überwachungsorgane im Rahmen des InstA abgelehnt. Diesem Begehren wurde mit dem Zweipfeilermodell entsprochen, indem die Einhaltung der Abkommen durch zwei eigenständige Institutionen mit äquivalenten Kompetenzen überwacht wird. Sollten Probleme auftreten, werden diese zunächst im Gemischten Ausschuss diskutiert und im Fall, dass keine Einigung erzielt wird, kann das Schiedsgericht angerufen werden, was wiederum vor arbiträren Gegenmassnahmen schützt. Dass unsere Wirtschaftsakteure nur durch schweizerische Behörden überwacht werden, kann auch gegenüber dem EWR mit seiner supranationalen EFTA Surveillance Authority (ESA) als Vorteil angesehen werden.

Zu 6: Ausklammerung der Unionsbürgerschaft:

Die Frage der Anwendung der Richtlinie wird durch das InstA nicht präjudiziert und wird auch ohne InstA Gegenstand längerer Verhandlungen sein. Die Schweiz kann durch die Opt-Out Möglichkeiten nicht zur integralen Übernahme gezwungen werden. Allfällige Ausgleichsmassnahmen der EU unterliegen der alleinigen Beurteilung durch das Schiedsgericht. Ohne InstA und unter der heutigen Rechtslage kann die EU einseitig Retorsionsmassnahmen im Rahmen des Freizügigkeitsabkommens einsetzen.

Zu 7: Das InstA gewährt Rechtssicherheit:

Mit dem InstA wird die Parallelität der Rechtslage zwischen der Schweiz und der EU gewährlistet, während die gegenwärtige Situation für die Schweiz prekär ist. Z.B. ist die gegenseitige Anerkennung von Konformitätsbewertungen für Industrieprodukte nicht gesichert. Das Gleiche gilt für die Börsenäquivalenz. Die zukünftige Beteiligung an den EU-Forschungsprogrammen (Horizon) und der Austausch von Studenten (Erasmus) sind ungewiss.

Zu 8: Das InstA ermöglicht neue Verhandlungen:

Nur im Falle des Abschlusses eines InstA können neue Marktzugangsabkommen mit der EU abgeschlossen werden; im Vordergrund stehen das bereits seit einiger Zeit in Verhandlungen stehende Abkommen zum Strommarkt sowie ein Dienstleistungsabkommen, insbesondere im Bereich der Finanzdienstleistungen.

Zusammenfassung und Schlussfolgerung

Die Schweiz muss die Möglichkeit haben, ihre Interessen in der EU effizient und effektiv vertreten zu können. Als eines der am meisten integrierten Länder im Binnenmarkt der EU hat sie ein eminentes Interesse an der Weiterführung und am Ausbau des bilateralen Wegs. Dieser Weg ist ohne InstA in höchstem Mass gefährdet. Das InstA stärkt den Einfluss der Schweiz auf das Geschehen innerhalb der EU, indem es ihr ein Recht auf Mitsprache bei der Rechtsentwicklung einräumt. Der paritätische Streitbeilegungsmechanismus gewährt ihr Rechtssicherheit und schützt sie vor arbiträren Massnahmen.

Die PSE ruft daher den Bundesrat auf, das InstA zu unterzeichnen und den parlamentarischen Prozess einzuleiten. Parlament und allenfalls das Schweizer Volk müssen über dieses Vertragswerk demokratisch entscheiden können. Die PSE ist davon überzeugt, dass sich der Bundesrat bewusst ist, dass er im Fall der Nicht-Unterzeichnung des InstA die Verantwortung  für allfällige diskriminatorische Massnahmen vonseiten der EU trägt. Sollte der Bundesrat das InstA nur mit Vorbehalten unterstützen, bitten wir ihn, die PSE in die mit der EU geführten Gespräche und in den in der Schweiz initiierten Konsultationsprozess  mit einzubeziehen.

Soziale Medien Youtube Email Wer Souveränität leben will, muss Einfluss ausüben können

von Jean-Daniel Gerber, Co-Präsident der PSE. Erschienen in der NZZ am Sonntag, 6. Oktober 2018

Unabhängig ist, wer frei in seinen Entscheiden ist, lautet eine gängige Definition der Souveränität. Internationale Abkommen begrenzten diese Freiheit. A la limite stünden sie sogar im Gegensatz zur schweizerischen Verfassung und müssten nötigenfalls gekündigt werden. Eine solche Argumentation verkennt die Realität. Souverän ist nicht das Land, das am wenigsten zwischenstaatliche Verträge abgeschlossen hat. Souverän ist das Land, das auf der internationalen Bühne seinen Einfluss ausüben kann.

Nach Kriegsende 1946 verzichtete die Schweiz, der heutigen Welthandelsorganisation (WT=), dem Internationalen Währungsfonds (IWF) und auch der UNO beizutreten, aus Angst, die Stimmbürger verlören ihr Recht, im eigenen Land zu bestimmen, was gilt. Es dauerte Jahrzehnte bis realisiert wurde, dass diese Organisationen Beschlüsse fassten, welche die Schweiz betrafen, ohne dass sie darauf Einfluss nehmen konnte. Auch heute werden hierzulande unzählige Verordnungen und Gesetze autonom angepasst, um Diskriminierung oder andere gewichtige Nachteile zu vermeiden. Die gegenwärtige Diskussion über die Sommerzeit oder die Waffenrichtlinien lässt grüssen.

Gemäss Index der am meisten in den EU Binnenmarkt integrierten Ländern gehört die Schweiz zur Spitzengruppe der am höchsten integrierten Länder, obwohl sie keinen Einfluss über die Ausgestaltung dieses Marktes hat. Österreich, Finnland, Schweden, Belgien, oder die Niederlande, die über dessen Funktionieren mitentscheiden, sind in dieser Hinsicht souveränder als die Schweiz.

Die Schweiz ist kein grosser Player in der internationalen Politik, in handels- und finanzpolitischer Hinsicht bloss von mittlerer Grösse. Ihre beste Verteidigung gegenüber den Grossmächten USA, EU, China, Indien, Japan und Russland sind internationale Abkommen. Sie sind ein Schirm gegen Willkür. Internationale Verträge schützen den Schwächeren. Mit der weiter zunehmenden Globalisierung, man denke z. B. an die Cyberkriminalität, Migration, Umwelt, Seuchengefahren, ist eine Ausdehnung der zwischenstaatlichen Kooperation nicht nur unabwendbar, sondern liegt im Interesse der Schweiz.

Die Schweiz wird auch in Zukunft darüber entscheiden, welche Verträge sie abschliesst, wo sie autonom nachvollzieht, und sie bestimmt selber, ob sie solche Verträge kündigen will. Die Selbstbestimmmungsinitiative geht jedoch weiter: Verträge sind neu zu verhandeln, wenn sie unserer Verfassung, die bekanntlich oft ändert, widersprechen und sind nötigenfalls zu kündigen. Dies nota bene, ohne dass die Bevölkerung ausdrücklich eine Kündigung verlangt hätte und erst noch retroaktiv, also auch für Verträge, die bereits in Kraft sind und zu keinen nennenswerten Schwierigkeiten Anlass geben. Wo bleibt der Realitätssinn?

Der Schweiz mangelt es schlicht an der notwendigen Potenz, Anliegen auf Neuverhandlungen durchzusetzen. Zu glauben, die Vertragspartner der Schweiz seien bereit, quasi automatisch ganze Abkommen oder einzelne Bestimmungen neu zu verhandeln, verkennt, dass die Verträge ein Gleichgewicht zwischen Rechten und Pflichten darstellen, das nicht einfach zugunsten der Schweiz verändert werden kann. Bei multilateralen Verträgen ist das praktisch ausgeschlossen. Die Schweiz setzt sich mit einem solchen Vorgehen dem Vorwurf aus, ein schlechter Vertragspartner zu sein, der Rosinenpickerei und schadet ihrem Ruf. Sogar der mächtige US-Präsident musste einsehen, dass Neuverhandlungen nicht einfach zu haben sind. Das Klimaabkommen wird nicht revidiert.

Falls sie überhaupt stattfinden, werden Neuverhandlungen letztlich mit aller Wahrscheinlichkeit scheitern. Als Folge müssten die Abkommen nötigenfalls gekündigt werden. Was heisst „nötigenfalls“? Wer entscheidet darüber? Der Bundesrat, das Parlament, die Gerichte? Die Streitigkeiten über diesen Gummibegriff sind programmiert. Der Zwang zu Verhandlungen, das Risiko des Scheiterns, die unberechenbare Dauer der Verhandlungen schaden unserer Glaubwürdigkeit und, ebenso schlimm, untergraben die Rechtsstabilität, auf die unsere Wirtschaft angewiesen ist.

Souveränität im Sinne von Selbstbestimmung mutiert letztlich zur Selbstbeschränkung. Sie gründet auf der Illusion, dass je weniger völkerrechtliche Verträge die Schweiz eingeht, je souveräner sie sei. Ziel der Aussen- und Aussenwirtschaftspolitik ist die Interessenswahrung unseres Landes. Die Schweiz kann nicht auf der europäischen und weltweiten Bühne Einfluss ausüben wollen und gleichzeitig als Kastrat auftreten. Sie kann zwar vieles selber machen und sich vertraglich nicht binden, doch gerade der Souveränität erweist sie damit einen Bärendienst.

Treffen des Unterstützungskomitees 22. Oktober 2018